Wilhelm Tell frisch geschossen

Wilhelm Tell – ein Poetry Slam

Es begab sich einst, dass in der Schweiz,

in Uri, Schwyz und Unterwalden,

Landvögte im Auftrag des Österreich’schen Kaisers

das einst freie Volk gar grausam unterjochten.

Landvogt Gessler, der schlimmste Schurke seiner Zeit,

die verachtenswerteste Gestalt weit und breit,

wollte seine Herrschaft demonstrieren

und nicht selbst den Burgbau studieren.

Er zwang also das Volk, wie konnt‘ es anders sein,

diese Burg zu errichten, damit sein Schein

gewahrt wird und er gefürchtet.

Sich selbst zu Ehren ließ der Vogt seinen Hut auf einer Stange drapieren,

so dass ein jeder, der vorbeizog, gezwungen ward,

demütig davor zu knien und nicht hohen Hauptes vorbeizustolzieren.

Zur gleichen Zeit, an anderm Ort, ein Mann aus Unterwalden floh.

Er tötete des Kantons Vogt, ein saubrer Hieb, ab war der Kopf.

Seine Frau in Not. Der lüsterne Vogt

fiel über sie her und vergewaltigte sie fast. Aber nur fast.

Wilhelm Tell, der Held der Geschicht‘,

rettete ihn, denn das war seine Pflicht.

Setzte ihn über, trotzte dem Wetter,

nichts war ihm gefeit, dem furchtlosen Retter.

Der Aufständische ist nicht allein, denn nachts im dunklen Schein

des Mondes treffen sich Rebellen um zu beraten, wie man, ohne lang zu warten,

den Vogt erfolgreich stürzen könnte.

Der Rütlischwur: Jetzt ist’s offiziell! Die Kantone sind im Kampf vereint,

denn „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig“i.

Tyrannei wird verneint.

Ulrich von Rudenz tritt nun auf, versucht seine Herzensdame zu umwerben,

aber ein Missverständnis macht’s ihm schwer, er verbiegt sich für sie zu sehr.

Die Liebe kennt keine Grenzen, der Schweizer liebt die Frau aus dem Feindesland,

doch dass sie im Herzen keine Österreicherin ist, ist ihm leider nicht bekannt.

Um ihr zu imponieren, schlägt er sich auf die feindliche Seite,

verrät seinen Onkel und Bertha sucht das Weite.

Zurück zu Tell, der Schütze ist mit seinem Sohn unterwegs

den Schwiegervater zu besuchen, den Aufständischen Walter Fürst.

Vorbei geht er schnellen Schrittes an des Vogtes Hut,

ohne sich zu verbeugen, das verlangt viel Mut.

Oh weh! Tell, was tust du nur! Bringst deinen Sohn noch in Gefahr.

Zwei Wachen stehen Spalier und der Vogt ist ganz nah.

Ungestraft kommst du nicht davon, bereuen wirst du diese Tat.

Du bist ein Meister auf der Armbrust, Tell,

man sagt du nehmst es auf mit jedem Schützen.“ii

So zischt der Gessler hämisch – und denkt, das wird ihm bestimmt nichts nützen.

Gezwungen wird der arme Tell zu zielen auf seines Kindes Kopf,

in achtzig Schritt Entfernung – so weit! – liegt ein Apfel auf dessen Schopf.

Von allen Seiten fleht man um Erbarmen,

denn der alte Tell hält zittrig in seinen Armen

die Armbrust, zielend auf seinen Sohn.

Den Pfeil hat er aufgespannt,

einen zweiten noch in der Hinterhand.

Der wär für den Vogt bestimmt,

träfe er nicht den Apfel, sondern sein Kind.

Himmel, Herrgott, Sakrament!

Der Schütze ganz behänd

mitten durch die Frucht geschossen.

Und umjubelt von seinen Genossen

tritt er zu seinem Sohn und schließt ihn in die Arme.

Was der zweite Pfeil sollt, fragt ihn der Vogt.

Und erleichtert von seiner Not

gesteht er ihm, was‘s mit ihm auf sich hatte.

Tell, was bist du so naiv? Verrat ihm doch nicht deine Karte!

Hämisch lächelt da der Vogt,

und umringt von seiner Standarte

nimmt er ihn gefangen.

Abgeführt wird er auf ein Schiff,

und mit hartem Griff

bindet er ihn fest.

Ein Gewitter zieht auf und der Kahn beginnt zu schwanken.

Da lässt der Vogt, ganz ohne Hintergedanken,

den Tell frei, denn er soll’s richten.

Dieser jedoch tut nicht wie ihm geheißen,

und bevor es jemand merkt

kommt er ganz unbemerkt davon.

Flieht gar mutig, stürzt sich in die stürm’sche See,

schwimmt zum Ufer, da kommt ihm die Idee

den Vogt nun gleich zu meucheln.

Der Schütze ergreift seine Waffe, und

hinter einem Holunderstrauch

versteckt er sich und seine Armbrust auch.

Durch diese hohle Gasse muss er kommen

es führt kein andrer Weg nach Küßnacht“iii.

Den Pfeil aufgespannt denkt der Tell beklommen,

dass diese Tat aus ihm einen Mörder macht.

Angeritten kommt der Vogt,

weiß noch gar nicht, was ihm droht.

Der Schütze hat ihn im Visier.

Also ruhig, Tell, stell dir vor es wär ein Apfel.

Den Gessler triffts in sein grausam Herz,

da durchzuckt es ihn vor lauter Schmerz.

Das Werk ist vollbracht,

der tyrannische Herrscher nun umgebracht.

Angetrieben von dieser Tat treffen die Rebellen zusammen,

stürmen Burgen, retten Berta, denn die ist vom Vogt gefangen.

Rudenz und Melchthal befreien sie aus Twing Uri, Gesslers Schloss,

denn dieser ist bereits gefallen von seinem hohen Ross.

Die Liebenden sind jetzt vereint.

Und nun, da ihre Missverständnisse geklärt,

steht Berta gern für Rudenz am Herd.

Unterdessen ist Tell nach Hause gekehrt,

da klopft es am Tor – wer steht wohl davor?

In Mönchskutte gekleidet, ein geflüchteter Mann

will Barmherzigkeit finden. Was hat er getan?

Den Onkel hat er getötet, den Kaiser von Österreich.

Angst um sein Erbe hatte der Neffe, Angst um sein Hab und Gut,

wollte von des Kaisers Vermögen, tötete ihn voller Wut.

Verständnis sucht er bei Wilhelm Tell, denn auch dieser hat gemordet.

Ist ebenfalls schuldig, an seinen Händen klebt Blut.

Doch sein Motiv war ein Anderes.

Gemordet hast du, ich hab mein Teuerstes verteidigt. Mich fasst ein Grausen, da ich mit dir rede. Fort! Wandle deine fürchterliche Straße, lass rein die Hütte, wo die Unschuld wohnt.“iv

So zieht der Mörder von dannen und wird nicht geschont.

Es lebe Tell! der Schütz und der Erretter!“v

Nun sind alle von der Knechtschaft befreit

und es herrscht Frieden weit und breit.

C T

iWilhelm Tell I,3/ Stauffacher

iiWilhelm Tell III,3/ Gessler

iiiWilhelm Tell IV,3/ Tell

ivWilhelm Tell V,2/ Tell

vWilhelm Tell V,3/ Alle

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